Interview mit den Moderatoren der ersten Stunde

Wir haben das Team vom Anfang zum Beginn von Bremen Vier befragt, hier ihre Antworten.

Es kommen zu Wort:
Jürgen Büsselberg (JB)
Tina Gerlach (TG)
Efa Schütte (ES)

Wer hatte die Idee für ein Jugendprogramm bei Radio Bremen?

JB: Die kam von Wolfgang Hagen, der damals in der Kulturredaktion gearbeitet hat. Oder gar ihr Chef war? Und wir hatten Glück, dass wir mit Karola Sommerey eine Programmdirektorin hatten, die für solche neuen Ideen sehr aufgeschlossen war.

TG: In der norddeutschen Rundfunklandschaft wurde eine Frequenz frei, ffn war kurz davor, auf Sendung zu gehen. Es musste also eine akustische Alternative für junge Leute her. Radio Bremen Vier war geboren. Wer hat sie durchgesetzt? Letztlich der Intendant von Radio Bremen, damals Karl-Heinz Klostermeier.

ES: Dr. Wolfgang Hagen kam vom SFB aus Berlin zu Radio Bremen und entwickelte die Idee für Bremen 4, ich glaube, nach amerikanischen Vorbildern. Eigentlich war es eine Art Schattenboxen gegen die privaten Radiostationen, die geplant waren und einige Monate später die Radiolandschaft aufmischten (ffn z.B.). Hagen hatte in den USA auch Studios kennen gelernt, wo im Stehen moderiert wurde. Das konnte er allerdings anfangs beim Studioneubau noch nicht durchsetzen. Sein Mitstreiter damals war Burkhard Rausch, der vom RIAS, ebenfalls aus Berlin kam. Die Jugendlichen wurden jedenfalls (endlich) als ernst zu nehmende Konsumenten, als starke Radioklientel angesehen, die nicht mehr ausschließlich mit “Nischenprogrammen” abgespeist werden sollten. Wobei der Begriff “Jugend” weit gesteckt wurde – heute sagt man Zielgruppe, denn das Alter ist schließlich nicht unbedingt entscheidend, wenn es um Geschmack & Vorlieben geht.

Und Du warst von Anfang an dabei?

JB: Na ja, wann Wolfgang Hagen und Karola Sommerey zum ersten Mal über diese Idee gesprochen haben, weiß ich natürlich nicht. Aber schon im Sommer 86 hat mich Hagen dann angesprochen und gefragt, ob ich da mitmachen würde, was ich von der Idee halte und so. Da wusste sonst noch niemand was im Hause von der Idee. Galt noch so ein bisschen als Geheimsache.

Wie bist du dazu gekommen?

TG: Ich hatte schon auf der Radio Bremen Hansawelle moderiert.

ES: Wie die Jungfrau zum Kinde. Nein, sie wussten nicht, wohin sonst mit mir. Mich gab es einfach schon im oben erwähnten “Nischenprogramm” auf der Hansawelle, den Jugendsendungen “Rizz” abends und “Stückwerk” nachts, sowie “Mittagspause” auf Bremen 1. Außerdem war (bin) ich blond, das kommt immer gut an bei den Hörern ;-), die Quotenfriesin sozusagen.

JB: Ich glaube einfach, weil ich damals das jüngste fest angestellte Mitglied des Jugendfunks war, die Redaktion also, die mitverantwortlich war für Sendungen wie „Pausenlos“ und „RIZZ“. Hagen und ich haben uns dann mehrfach spätabends getroffen, mal bei ihm, mal in der Kneipe, um ein erstes Konzept zu erarbeiten. Und da haben wir dann sehr schnell auch meinen direkten Kollegen Berthold Brunsen dazu geholt. Wir beiden waren ja damals zuständig für die Pop-Jugend-Sendungen auf der Hansawelle, dem 1. Programm von Radio Bremen. Das waren die Sendungen „Pausenlos“ und „Nanu“.

Warst Du denn sofort begeistert von dieser Idee, „Bremen Vier“ als Jugendsender?

JB: Na, klar. Ich hätte nie für möglich gehalten, dass mir jemand jemals das Angebot macht ein solches Programm mit aufzubauen und dabei mit machen zu dürfen. Das war so, als ob jemand sagt: Jürgen, bisher durftest du ja nur auf dieser kleinen Ecke hier spielen, jetzt aber bald auf der ganzen Wiese. Und wichtig war auch: Bremen Vier war genau die richtige Antwort auf die Privatsender, wie FFN in Hannover. Wer schon früh junge Hörer an öffentlich-rechtliche Programm bindet, verliert sie auch später nicht so leicht an die Privaten.

Was war denn das Ziel von Radio Bremen Vier?

JB: Du meinst, unser „Programmauftrag“? Wir wollten und sollten einen Sender machen mit der aktuellen Popmusik, aber eben nicht nur mit den Hits aus den deutschen Charts, sondern eben mit allen aktuellen Entwicklungen auch anderswo, - in England vor allem, aber auch den USA und - damals gar nicht unwichtig- Australien zum Beispiel. Und es sollte jeder Bereich abgedeckt werden, also von Rock über Soul und Funk bis hin zu Heavy Metal. Dazu natürlich Berichte, Meldungen, Reportagen, die junge Hörer interessieren. Ganz wichtig war uns auch: die Musik-Szene in Bremen, Bremerhaven und umzu wider zu spiegeln. Also heimische Bands ins Studio einzuladen, damit sie ihre Musik vorstellen können, auch ohne Plattenvertrag. Und wir wollten eine starke Hörerbindung. Deshalb war ja so eine Sendung wie das Rock-Telefon wichtig. Eine Sendung, wo man mit einem einzigen Anruf seinen Musikwunsch erfüllt bekommt und vielleicht sogar live on air die Geschichte dazu erzählend darf.

Ihr sagt immer „Wir“, wer war denn die Kernmannschaft am Anfang?

JB: Das waren vor allem die Kollegen, mit denen Berthold und ich schon bei „Pausenlos“ und „Nanu“ zusammen gearbeitet haben, also das junge Team von Radio Bremen. Irgendwie ja auch logisch. Also, Leute wie Tina Gerlach, Norbert Kuntze, Markus Rudolph. Wir konnten aber auch Axel. P. Sommerfeld, der damals ja vor allem „RIZZ“ moderiert hat, schnell für die Idee begeistern. Wolfgang Hagen hatte dann schon sehr früh die Idee, einige der besten Bremer DJ’s für Bremen Vier zu gewinnen: Edgar Mielke war darunter, Kai Tölke, Peter Spallek. Und aus Berlin kam noch vor dem Start Burghard Rausch zu uns, damals ein Radio-Star dort beim RIAS und beim SFB.

Gab es denn auch Widerstände im Haus, Leute, die die Idee gar nicht gut fanden?

JB: Na, klar, das bleibt ja nicht aus. Viele hatten Bedenken, unser kleines Programm würde ein ganz schlimmer Dudelfunk werden. Immer nur Popmusik, ein paar unwichtige Moderationen, Späße, fertig. Einigen hat es auch nicht behagt, dass gerade die Jüngsten im Hause nun ein ganzes Programm allein bestreiten sollten. Da gab es viele Sitzungen, auf denen wir versucht haben, diese Bedenken zu zerstreuen. Es ist uns bei einigen Kollegen wohl nie wirklich gelungen. Und bei den Kollegen von der Technik gab es heftiges Gegrummel, weil wir ja mit einem Selbstfahrerstudio an den Start gehen wollten. Heute sind die Dinger üblich, damals kam das aber einer Revolution gleich. Üblicherweise saß ja der Moderator in einem Studio und winkte der Senderegie, wenn die nächste Platte gestartet werden sollte. Er konnte nicht mal sein Mikro selbst aufmachen und on air gehen. Das lief alles über die Senderegie.

Die Kollegen hatten also Angst um ihre Arbeitsplätze?

JB: Ja, wenn auch erstmal unbegründet. Denn: um neue Techniker einzustellen, die dann sich um Bremen Vier hätten kümmern können, wäre gar nicht genug Geld da gewesen. Und die vorhandenen Kollegen hatten ja genug zu tun mit den anderen drei Radioprogrammen von Radio Bremen. Für uns war aber das Selbstfahrerstudio aus anderen Gründen ganz wichtig. Nur so kannst du spontan das Programm ändern, schnell auf Hörer reagieren, auf eine aktuelle Geschichte. Es entwickelt sich ein ganz anderes Sendegefühl. Und toll war auch, dass wir in unserem Studio umgeben waren von all unseren Platten. Aufstehen, rausziehen, auflegen – ein Gang zum Archiv war bei uns nicht nötig. Und - by the way - ganz ohne Techniker kamen wir ja gar nicht aus. Bei uns aber haben sie moderiert: Tina Gerlach und Peter Mertsch, ohne den wir ja nie so viele, so tolle Jingles gehabt hätten am Anfang.

Welche Erinnerungen has Du an die Vorbereitungszeit?

JB: Große Vorfreude, - wir waren alle ein bisschen wie elektrisiert von diesem Projekt. So ganz nebenbei mussten wir uns ja um unsere laufenden Programme und Sendungen kümmern, - Wolfgang Hagen um seine Kultur, Berthold und ich uns um „Pausenlos“ und „NaNu“. Also, wir haben damals bestimmt so manchen Tag 10 bis 12 Stunden im Funkhaus verbracht. Und ganz oft haben wir uns dann auch in Hagens Wohnzimmer oder in meiner WG-Küche zu abendlichen Sitzungen getroffen. Es war eine aufregende Zeit, ganz ohne Zweifel.

ES: Ich erinnere mich nur noch an den Enthusiasmus, der alle infiziert hatte. Und an die hitzigen Diskussionen über das Für und Wider.

Und der erste Tag?

TG: Büssi hat den richtigen Knopf gedrückt, Pop Music lief als erster Titel. Alle strahlten.

ES: Lampenfieber: Alarm erregende Temperaturen, überall!

JB: Praktischerweise ein Montag. Neue Woche, neues Programm. Das hat gut gepasst. Na ja, das Gefühl war: Endlich on air! Jetzt läuft es! Ich war ja sogar der erste, der etwas sagen durfte auf Bremen Vier. Die erste Moderation. Aber alle anderen standen oder saßen um mich herum und riefen. „Hallo, - guten Morgen“ oder irgend so etwas. Davon gibt es auch Fernseh-Bilder, das war dann ja abends bei „Buten und Binnen“ zu sehen.

Du hast ja relativ viele Sendungen auf Bremen Vier moderiert.

JB: Also, erstmal: fast alle Bremen Vier-Moderatoren haben viele Sendungen moderiert. So groß war die Mannschaft am Anfang ja auch nicht. Wir mussten ja mit wenigen Leuten ein 15-Stunden-Programm auf die Beine stellen. Lieblingssendung? Das ist schwer zu sagen. Alles hat Spaß gemacht. Aber im Laufe der Zeit ist mir dann doch das „Rock-Telefon“ besonders ans Herz gewachsen.

Was hat Dir am meisten Spaß gemacht?

TG: Dem Chef Paroli zu bieten.

JB: Die Gespräche im Rock-Telefon mit den Hörern, live und oft sehr witzig und offen, das hat mir besonders viel Spaß gemacht.

ES: Das “Selberfahren” im Studio, also das eigene Bedienen des Discopults. Bis Bremen 4 hatten die Moderatoren keine Kontrolle über das Mischpult, die Regler. Bis dahin saßen wir hinter dem Mikrofon, das hinter einer Glasscheibe (zwar auf unser Kommando) von Techniker bedient wurde, ebenso wie die Plattenspieler (das sind diese Geräte auf denen die schwarzen Scheiben abgespielt wurden. Die sind sicherlich noch in ein paar Museen zu bestaunen...)

Was ist dir sonst im Gedächtnis geblieben?

TG: Unvergesslich die Konfernezen, in der Anfangszeit "Plenum" genannt. Alle mussten kommen. Dann hat der Chef eine neue Programmveränderung vorgeschlagen und sie zur Diskussion gestellt. Zwei Stunden lang sind wir gemeinsam dagegen Sturm gelaufen, mit leidenschaftlich vorgetragenen Argumenten. Danach hat der Chef beschlossen, dass sein Vorschlag ab sofort gilt und umgesetzt wird. Und damit war die Konferenzen beendet.

Warum gab es zum Start von Bremen Vier nicht gleich auch eine Frühsendung? Immerhin gilt das doch als die Prime-Time beim Radio.

JB: Absolut richtig, - das ist die Prime-Time. Wir waren uns aber nicht sicher, ob das auch für unsere Hörer galt, ob für die es nicht wichtiger ist, abends länger Bremen Vier hören zu können. Gleich zum Start gar 18 Stunden senden, - das hätten wir aber nicht gepackt. Deshalb haben wir gesagt: lieber bis Mitternacht on air als auch schon am frühen Morgen. Morgens hätten unsere Hörer uns allenfalls eine halbe Stunde hören können, zwischen Aufstehen und Abgang zur Schule, abends hatten sie mehr Zeit für das Radio. Aber es war klar: so bald wie möglich sollte eine eigene Morgenshow her.

Aber auch später hatten Eure Hörer morgens nur wenig Zeit, - wie Du sagst, zwischen Aufstehen und dem Moment, wo es zur Schule oder zur Uni geht.

JB: Stimmt. Okay, die Studenten stehen eh eher später auf, die haben wir um 9 Uhr schon noch erreicht. Aber die Schüler, klar, denen wollten wir ja auch was bieten am frühen Morgen. Uns war aber klar: diese Bremen Vier Morgen-Show musste so gestaltet sein, dass sie auch den Eltern gefällt. Denn morgens hört man ja nicht allein in seinem Zimmer Radio, morgens läuft das Radio in der Küche und dann bestimmen eher Vater und Mutter, welcher Sender da läuft.

Jürgen, du hast Bremen Vier dann Ende 1990 verlassen. Warum? Keine Lust mehr gehabt?

JB: Nein, das war wirklich nicht der Grund. Aber es gab da so eine Unruhe bei mir. Etwas Neues musste her. Und da hatte ich das Angebot, beim, Berliner Jugendradio des SFB mitzumachen. Radio 4 U hieß das. Andere, größere Stadt, anderer Sender, das fand ich spannend. Aber weg von Radio Bremen wollte ich gar nicht für immer. Ich habe mich deshalb für zwei Jahre beurlauben lassen. Und ich habe ja auch noch eine ganze Weile das „“ ab und an moderiert, manchmal auch die „Newsbox“ am Freitag oder am Samstagabend den „City Beat“. Ich bin dann so alle drei, vier Wochen aus Berlin angereist.

Aber Du bist dann doch nicht wiedergekommen. Warum?

JB: Beinahe wäre ich wieder gekommen. Aber dann passierte in Berlin wieder was Aufregendes: Radio 4 U wurde zusammen gelegt mit den Resten von DT 64, dem ehemaligen DDR-Jugendsender. FRITZ hieß dieses neue Programm. Und da wollte ich dabei sein: Ost- und West-Radiomacher werden mehr oder weniger zusammen geschubst und müssen gemeinsam ein Programm stemmen. Das fand ich sehr spannend. War es ja auch. Und ich merkte auch, dass ich mich doch schon sehr von Bremen Vier gelöst hatte. Zugegeben waren auch die privaten Bindungen an Berlin sehr eng geworden.

Hast Du denn Bremen Vier danach öfter noch mal gehört?

JB: Zuerst wenig, das ging ja nur, wenn ich im Sendegebiet war. Heute per Internet ist das einfacher, - und da höre ich dann schon mal rein, klar. Immerhin hört man ja einerseits liebe alte Bekannte, wie Marcus Rudolph oder Peter Spalek, oder Kollegen, die man aus Berlin kennt, wie Judith Ebert, die ja bei FRITZ war. Ich finde schon toll, was aus unserem kleinen Sender geworden ist. Unser Kind hat sich doch prima entwickelt. Und ich hoffe, Bremen Vier klingt auch mit 40 noch so frisch wie jetzt mit 20.

Und Efa?

Nein. Es ist eben schon 20 Jahre her (wo sind meine Anti-aging-Pillen???!!!) Und ich war nur das erste halbe Jahr dabei, denn im Juni 1987 bin ich nach Berlin gezogen, um dort beim SFB die Jugendsendung S-f-beat zu moderieren. (Später entstand aus dieser Sendung zusammen mit DT 64 aus Ostberlin - nach Bremer Vorbild! - die Jugendwelle Radio 4 U, daraus wiederum Fritz & Radio Eins, beide RBB.)

Vielen Dank für das Interview!

 

 

 

 

Zum Sendestart von Bremen Vier

Pressemitteilung zum Start

Interviews mit den Moderatoren
der ersten Stunde

20 Jahre – ein Überblick

Fakten aus 20 Jahren

 


Jürgen Büsselberg

 


Tina Gerlach

 

Efa Schütte